Start


Exposè


Leseprobe 1

Leseprobe 2

Leseprobe 3


Karten


Glossar
(Auszüge)


Kontakt/
Impressum


QUINTUS
Ein historischer Roman
_______________________


Leseprobe 2:

(Seite 184 bis 187)

XIV Tingis
...
»Bei allen beschissenen römischen Gottheiten«, fluchte Paciaecus, »sie haben uns entdeckt! Aufsitzen! Angriff!«
Hufe donnerten über die verbrannten Hügel. Die unberittenen Kämpfer folgten im Laufschritt. In der Ebene ordnete sich der Gegner, bildete Schild- und Reiterformationen. Paciaecus’ Truppe hatte den Wind im Rücken und wurde schnell von einer Staubwolke eingehüllt. Der Staub brannte in den Augen, würde dem Feind aber die eigene Stärke verschleiern.
Paciaecus ließ die Belagerer einkreisen und ritt, so stolz es ihm irgend möglich war, auf die Feinde zu.
Er brüllte so laut, daß seine gewaltige Stimme noch innerhalb der nördlichen Stadtmauern von Tingis deutlich zu hören war:
»Was bildest du dir eigentlich ein, Marianer? Wie kommst du auf die Idee, daß Rom dir das hier durchgehen lassen würde?« Sullas Worte, die Luscus an ihn weitergegeben hatte, erreichten nun ihren endgültigen Empfänger.
Sertorius antwortete nicht.
»Ich bin hier, um dich abzuholen, Quintus Sertorius. Aber, ehrlich gesagt, würde ich dich lieber jetzt gleich erschlagen. Schenke deinen Soldaten das Leben und kämpfe mit mir. Hier und jetzt. Dem Sieger sollen die Leute des anderen folgen. Sage mir, kleiner Verräter, falls du noch einen Rest dignitas besitzt, ob du dich deinem Meister stellen willst! Für den Fall, daß du gerade unpässlich bist, werde ich gerne noch etwas warten. Du kannst auch deinen besten Kämpfer schicken, wenn du dich zu schwach für einen echten Kampf fühlst.«
Kaum war die arrogante Herausforderung verklungen, erhob sich höhnisches Gelächter unter den Sertorianern.
»Das ist Paciaecus, der Ochse«, rief einer von Sertorius’ spanischen Gefolgsleuten. Er hatte den unförmigen Römer gleich erkannt.
»Geh heim, Ochse, und störe uns nicht bei unserer Arbeit!« rief Herrenius leichthin dem Herausforderer entgegen.
Gänzlich unerwartet erhob sich mitten in dem ausgelassenen Geschrei die Stimme von Sertorius: »Schwert oder Speer? Du darfst es dir aussuchen, Ochse.«
Hirtuleius wußte, daß es keinen Sinn hatte, seinen Freund und Befehlshaber von dem riskanten Entschluß abbringen zu wollen. Er stellt ihm nur eine kurze Frage.
»Warum, Quintus?«
»Wir sind von schätzungsweise dreitausend Männern eingekreist, Lucius. Wie es aussieht, sind das kampfgeübte Spanier mit guten Waffen. Die möchte ich nicht im Rücken haben. Mit diesem Kontingent auf unserer Seite würde die Stadt in wenigen Tagen uns gehören. Keiner könnte uns in diesem Land dann noch aufhalten. Außerdem kann ich mich vor meinen Männern nicht ungestraft einen Verräter nennen lassen.«

Weder Sertorius noch Paciaecus hatten damit gerechnet, daß ihnen die afrikanische Mittagshitze so schwer zu schaffen machen würde. Der Schweiß rann in Bächen an ihren Körpern hinab. Da die Sonne fast im Zenit stand, besaß hinsichtlich der Lichtverhältnisse keiner der beiden einen Vorteil.
Sertorius war schon ein stattlicher Mann, doch Paciaecus überragte ihn noch um einen halben Kopf. Wie ein numidischer Ringer baute er sich vor dem Römer auf, schob seinen mächtigen Brustkorb nach vorne und spannte den Bizeps seines Schwertarms an.
»Es freut mich, Verräter, dass du deinem Ruf gerecht wirst, zumindest in den letzten Augenblicken deines Lebens.«
Mit mehreren Schwertschlägen versuchte er, Sertorius zu beeindrucken. Die Schneide der polierten Waffe surrte durch die Luft wie eine wütende Hummel.
Sertorius ließ sich weder von den Drohgebärden einschüchtern noch von der Arroganz seines Gegners provozieren. Gelassen wandte er sich an die Soldaten, die beide Gegner im Karree umstanden und so die Arena dieses Kampfes bildeten.
»Die Soldaten des Verlierers halten dem Sieger die Treue!« rief er weithin vernehmbar in die Runde der immer zahlreicher werdenden Zuschauer. »Das ist der Handel, den ich mit diesem Herrn hier geschlossen habe!«
Anstelle einer Antwort stürmte Paciaecus sofort mit einem schauerlichen Gebrüll auf Sertorius zu, der in einem einzigen Augenblick seine Gelassenheit zu Gunsten einer gänzlich unerwarteten Behendigkeit aufgab und sich unter dem Schwerthieb des Gegners durchfallen ließ, um sofort wieder aufzuspringen und mit animalischer Wildheit auf den römischen Ochsen einzuschlagen.
Viele seiner Soldaten hatten Sertorius bisher noch nicht aktiv im Kampf erlebt. Sie hatten erwartet, daß er elegant und besonders trickreich kämpfen würde. Doch nun verwandelte er sich plötzlich in eine blutdürstige Bestie. Er trieb seinen Gegner mit rasenden Hieben immer weiter zurück, schlug dessen Schild Stück für Stück auseinander, bis die Lederbespannung in dünnen Fetzen herunterhing, und gab ihm keine Gelegenheit zu einem weiteren Angriff.
Doch Paciaecus hielt stand. Er mußte über unglaubliche Kräfte verfügen, um diese mächtigen Attacken abwehren zu können. Der Schweiß strömte aus seinen Poren und brannte wie Feuer in seinen Augen, aber er ignorierte alle Schmerzen und parierte erfolgreich die pausenlosen, kraftvollen Schwertschläge seines Gegners.
Als Sertorius zu einem besonders harten Schlag ausholte, gelang es Paciaecus – trotz seines massigen Körperbaus – rechtzeitig zurückzuspringen. In diesem Sprung verband sich die Kraft der Verzweiflung mit der Behendigkeit der Todesangst. Sertorius verfehlte Paciaecus nur knapp. Der mit äußerster Gewalt geführte Streich ging ins Leere. Sertorius geriet aus dem Gleichgewicht und torkelte. Aber er fiel nicht hin, denn er konnte sich rechtzeitig mit dem Schwert auf dem harten Lehmboden abstützen. Paciaecus nutzte den kurzen Augenblick der Orientierungslosigkeit seines Feindes. Mit einem erneuten Brüllen stürzte er sich von hinten auf Sertorius. Sein Schwert hatte er mit beiden Händen über den Kopf erhoben, um es dem Römer mit einem gewaltigen Hieb in den Rücken zu schlagen. Doch Sertorius hatte wieder Tritt gefaßt und wirbelte herum, das Kurzschwert ebenfalls mit beiden Händen haltend. Paciaecus hatte sein Schwert schon niedersausen lassen, doch statt in den ungeschützten Rücken zu fahren, ging der Hieb ins Leere. Sertorius war seitlich ausgewichen und führte eine schnelle Drehung aus, die ihm Gelegenheit gab, einen flinken Hieb mit der Schwertspitze auf Paciaecus’ Schildarm auszuführen. Der Ochse heulte auf, als die Schneide tief in seinen fleischigen Unterarm eindrang. Dunkles Blut quoll aus der Wunde.
Paciaecus wich ein paar Schritte zurück, um sich wieder zu sammeln und auf den nächsten Schlagabtausch vorzubereiten.
»Nicht schlecht für ein kleines, einäugiges Muttersöhnchen«, keuchte er, halb sarkastisch, halb bewundernd. Über das Verhältnis von Sertorius zu dessen Mutter schien er wohl irgend etwas zu wissen. Er glaubte offenbar, in diesem Zweikampf Kapital daraus schlagen zu können.
...
_______________________

© 2007
_______________________