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QUINTUS
Ein historischer Roman
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Leseprobe 3:

(Seite 289 bis 291)

III Livias Ring
...
»Wohl gesprochen, Livia, eine Antwort, die einer feinen Dame der römischen Nobilität würdig ist. Aber glaubst du wirklich, ich würde mich von diesen Argumenten der Schwäche überzeugen lassen? Stünde ich dann heute hier – an der Spitze Roms?«
Sullas Worte schnürten Livia die Kehle zu. Sie ahnte, dass er bereits wusste, was sie vorhatte, dass er längst Herr dieses Spieles war. Eine ganze Weile schon wandte er ihr den Rücken zu und suchte offenbar irgend ein Schriftstück. Die Zeit dehnte sich immer mehr, bis der Diktator sich schließlich wieder umdrehte und fort fuhr.
»Nein, meine Liebe, ich bin heute hier, weil du mich vor langer Zeit hier hin geschickt hast. Du hast einmal einen sehr wichtigen Satz zu mir gesagt. Erinnerst du dich? Du sagtest ... verzeih‘ mir bitte, wenn ich den exakten Wortlaut nicht mehr parat habe ...«
Sulla nahm eine gönnerhafte Pose ein und sprach plötzlich eine Oktave höher. »Spiel mir nichts vor, Lucius Cornelius! Komm' wieder, wenn du ein großer Feldherr bist.« Dann kicherte er wie ein junges Mädchen.
Livia wurde plötzlich kalt.
Er drehte ihr ganz langsam erneut den Rücken zu und kramte in einem Haufen von Pergamenten auf einem der Tische herum. Der Schreiber war mit seiner Arbeit beschäftigt. Trotzdem blickte er immer wieder auf seinen Herrn.
In diesem Augenblick sah Livia ihre Chance – die einzige. Sie öffnete kurzentschlossen den Verschluß ihres Ringes, beugte sich etwas vor und ließ das giftige Pulver geschickt in den Pokal des Diktators rinnen.
Sulla lachte leise in sich hinein. »Ah, da ist es. Sieh her, meine Liebe, so habe ich dich in Erinnerung behalten.« Er schritt er auf Livia zu und entrollte ein vergilbtes Portrait.
Ein meisterhaftes Werk erschloss sich der kunstverständigen Livia. Sie brauchte eine Weile, um sich der intensiven Wirkung des mit dem Silberstift gezeichneten Portraits zu entziehen. Dann erkannte sie die dargestellte Person. Es war sie selbst, in jungen Jahren. Es mußte ungefähr zu der Zeit gezeichnet worden sein, als sie Sulla abgewiesen hatte.
Sie entzifferte die Signierung. L. Cornelius ...
Sulla! Er hatte sie geliebt ... Und er war offensichtlich ein begabter Künstler. Wie hatte sie ihn nur in jeder Hinsicht so unterschätzen können?
Lucius Cornelius hatte sie währenddessen pausenlos angesehen. Als sie zu ihm aufblickte, stellte er sich hinter sie und legte seine Hände auf ihre Schultern.
»Du hast den falschen Schluß gezogen, Livia«, sagte er in väterlichem Ton. »Wenn ich die Sklaven ungeschoren lasse, dann haben wir bald einen Aufstand unseres gesamten Gesindes. Es gibt ein eindeutiges consultum, und ich gedenke nicht, in die Entscheidung des Senates einzugreifen. Ich ehre deine gutmütige Gesinnung. Wirklich! Hätte der Mörder des Cassius Vivernus sie nur mit dir geteilt ... Damit du dich aber in meine Situation versetzen kannst, bitte ich dich, meinen Platz einzunehmen. Oft genügt ein körperlicher Wechsel des gewohnten Blickwinkels, um einen anderen Menschen wirklich zu verstehen.«
Er zog sie sanft nach oben und führte sie um den Tisch herum. Zu seinem Stuhl. Willenlos setzte sich Livia hin. Sie war wie betäubt. Traurig blickte sie Sulla an. Sie hatte mit hohem Einsatz gespielt und verloren.
»Du bringst mich da auf eine Idee, meine schöne Livia. Vielleicht nehmen wir die Freigelassenen des Cassius Vivernus noch hinzu, damit das Exempel unseres geschätzten Marcus Tullius seine Wirkung auch nicht verfehlt. Ich kann dich beruhigen, meine Liebe, du wirst der Hinrichtung der Sklaven nicht beiwohnen müssen. Doch jetzt lass uns trinken, ich bin schon sehr gespannt auf den abenteuerlichen Geschmack.« Er zwinkerte ihr zu.
Livia konnte nicht verhindern, daß Tränen über ihre Wangen liefen. Ihre Gedanken waren in diesem Moment bei Sertorius. Wie gerne hätte sie ihn noch einmal wiedergesehen, in jenem milden spanischen Abendlicht, das seine Züge weniger schroff erscheinen ließ. Und Sophron ...
Vorbei.
Sulla sprach in dem theatralisch-sarkastischen Ton weiter, der vielen seiner Grausamkeiten vorausgegangen war. Wie durch einen Nebel erreichten sie seine alles zerschneidenden Worte.
»Ja, jetzt bin ich tatsächlich ein großer Feldherr. Und noch mehr ... Ich bestimme die Länge des Atems römischer Bürger und ich lenke ihre Zukunft. Auch wenn das manche von ihnen noch immer nicht begriffen haben.«
Sie hob das Glas und setzte an, den vergifteten Wein zu verschütten, als starke Hände von hinten ihre Handgelenke umklammerten und das Glas langsam an ihren Mund führten. Der Schreiber verfügte über Kräfte, denen sie nichts entgegensetzen konnte.
Es war entwürdigend, so zu enden.
Sulla fuhr plötzlich auf, als hätte er unvermittelt eine spontane Idee. Wie ein Kind, das sich von einer willkürlichen Stimmung in die nächste treiben läßt. Der Schreiber lockerte seinen eisernen Griff und gab Livia frei.
»Andererseits ... deine Anwesenheit zeigt, dass du meine Bedeutung verstanden hast. Das respektiere ich. Nun gut, ich werde dir ein letztes Angebot machen.«
Livia blickte ihn mit leeren Augen an. Was sollte das jetzt noch bedeuten, fragte sie sich hoffnungslos. Worte aus dem Mund eines eisigen Ungeheuers, das die ganze Welt in seinen Händen hielt.
»Wenn du leben willst, dann bring mir Sertorius und werde meine Frau.« Sulla sprach entspannt, gerade so, als hätte er eben die beiläufigste Sache der Welt erwähnt.
Livia dachte nach. Währenddessen lächelte der Diktator sie unentwegt an. Sie brauchte keine Minute, um sich zu entscheiden.
...
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